Herr G. hat vor Jahren einen Ratenkredit aufgenommen, der dann frühzeitig getilgt wurde. Dabei wurden seiner Meinung nach zu hohe Zinsen verrechnet, die er – mit unserer Hilfe - beanstandet hat. Die Verhandlungen laufen. Nun findet Herr G. eine Benachrichtigung im Postfach, dass bei seinem Postamt ein Einschreiben abzuholen sei - fast sicher eine Zahlungsaufforderung der Finanzierungsfirma. Er meint: „Ich hole den Brief einfach nicht ab, dann weiß ich ja nicht, was die von mir wollen, und brauche nichts zu tun“. Richtig?!

Falsch. Man hat zwar grundsätzlich das Recht, Einschreiben vom Postboten nicht anzunehmen oder diese vom Postamt nicht abzuholen. Normalerweise hat dies aber wenig Sinn: ein an die laut Meldeamt gültige Adresse des Empfängers geschicktes Einschreiben, das nicht angenommen wird, wird trotzdem als "gültig" erachtet, mit allen rechtlichen Folgen.

Ist ein Einschreiben nicht sofort zustellbar, wird der Empfänger benachrichtigt, und das Schreiben verbleibt für derzeit 60 Tage (Gerichtsakten eventuell kürzer) im Postamt als "lagernd" ("giacente"). Verstreicht die Lagerperiode ungenutzt ("compiuta giacenza"), wird es dem Absender zurückgegeben.
Die Auswirkungen auf den Empfänger sind dieselben, ob der Brief nun abgeholt wurde oder nicht. Wäre das Schreiben des Herrn G. eine Klageschrift, würde eine Nichtabholung nur bedeuten, dass der Prozess in seiner Abwesenheit verhandelt würde – und das ist seltenst eine gute Option. Nicht Wissen schützt nie vor rechtlichen Folgen!